This site uses cookies for anonymised analytics and HTML5 Web Storage to locally store information like language choice, in order to ensure you get the best experience on our site.
∗ 27.3.1910 Oberursel (D),
† 12.6.1979 Zürich
Mellingen (AG)
Maler und Grafiker. Schöpfer der urbanistischen Vision Intrapolis. Kunstkommentator, Kunstkritiker und Kunsterzieher. Buchillustrationen
Switzerland (CHE)
aquatint
etching
graphic arts
illustration
painting
M
Walter Jonas ist deutscher Herkunft und übersiedelt mit seinen Eltern im Geburtsjahr nach Baden. Der Vater ist Patentingenieur bei Brown Boveri & Co. Nach der Maturität in Zürich 1929–1932 Besuch der Reimannschen Kunstschule Berlin, Meisterschüler des Brücke-Mitglieds Moritz Melzer. Studienreisen nach Südfrankreich, Korsika und Spanien. 1932 Umzug nach Paris. Mitglied der internationalen Künstlergemeinschaft Porza. Bekanntschaft mit Robert Delaunay, Albert Marquet, Otto Freundlich und Antoine de Saint-Exupéry. 1935 Rückkehr nach Zürich. Bis zum Krieg Reisen nach Dalmatien und Korsika, teilweise in Begleitung von Zoran Music und Albert Marquet. 1939–1944 wiederholt Militärdienst. Hinwendung zu klassischen Themen: Radierungen zur Zauberflöte, Aquatinta-Radierungen zu Judith nach Friedrich Hebbel, zum Gilgamesch-Epos, zum Buch einer Nacht mit Werner Y. Müller und Friedrich Dürrenmatt.
Jonas’ Atelier wird zum Treffpunkt von Literaten, Künstlern, Wissenschaftlern. 1942 Heirat mit Rosa Maria Kemmler. Jonas gibt Zeichenunterricht. Zu seinen Schülern gehören Carlotta Stocker, Alex Sadkowsky, Walter Grab. 1947 Teilnahme an der Biennale di Venezia. 1949 Reise nach Nordafrika (Tunis). 1951 in Indien auf der Suche nach einem verschollenen Künstlerfreund.
Entscheidende Erfahrungen vermittelt ihm die Auseinandersetzung mit der östlichen Geisteswelt, die sich in einem Expressionismus eigener Prägung ausdrückt. Intensive literarische Tätigkeit, auch als Feuilletonist und Kunstkritiker für Die Tat, Neue Zürcher Zeitung, Werk, Weltwoche, Zürcher Woche. Ab 1954 Kunstkommentator für das neu entstandene Schweizer Fernsehen. 1955 Einzelausstellung im Kunstmuseum St. Gallen. 1957 Reise nach Spanien, 1958 nach Brasilien, Auftakt zu einer wichtigen Werkreihe. 1958 Einzelausstellungen im Museu de Arte Moderna, São Paulo, und im Helmhaus Zürich. Entwicklung der Idee der Intrapolis (Trichterstadt), einer Vision für eine neue, menschenwürdige und ökologische Städteform. 1960 Verleihung des Gleyre-Preises durch den Bund. 1963 zweite Reise nach Brasilien. 1962 Publikation des Buches Das Intrahaus – Vision einer Stadt. Die Idee der Intrapolis findet weltweit Anerkennung. Zahlreiche Publikationen und internationale Vortragstätigkeit. 1965 Gründungsmitglied der GIAP (Groupe International d’Architecture Prospective) zusammen mit Michel Ragon, Yona Friedmann und Nicolas Schoeffer. 1967 Ausarbeitung des Projektes eines schwimmenden Kulturzentrums für Zürich. Bis 1975 zahlreiche Einzelausstellungen im In- und Ausland, insbesondere bei Chichio Haller, Zürich. Nach 1975 Fortschreiten einer zermürbenden Krankheit. Gedenkausstellungen 1980 im Kunsthaus Zürich und 1985–86 im Seedamm-Kulturzentrum, Pfäffikon.
Jonas ist eine Mehrfachbegabung: Maler, Schriftsteller, Philosoph, Urbanist. Seine Vielseitigkeit, aber auch seine unbestechliche Auseinandersetzung mit künstlerischen und urbanistischen Problemen der 1960er- und 1970er-Jahre haben die Rezeption seines gemalten und grafischen Werkes in der Öffentlichkeit erschwert. Er wiederholt sich kaum, denn er lehnt jede Formel ab, bekennt sich zum dauernden Wandel und versucht sich in vielen Ausdrucksformen: Werke, die das Erbe des Expressionismus wahren, klassizistische, surreale und abstrakte Arbeiten ergeben das breite Spektrum seines Œuvres. Der Grundton bleibt das Expressionistische, mit dem Jonas im Berlin der 1920er-Jahre in Kontakt kommt. Auf Berlin folgt Paris, das er nach 1933 als Hort der Emigranten miterlebt. Diese Jahre der leidenschaftlichen Auseinandersetzung mit Bedrohung und existenziellen Fragen prägen den Maler und sein Werk. Jonas gehört zu den bedeutenden Porträtisten. Die Beschäftigung mit Grundfragen dokumentieren auch seine Grafik-Zyklen: Gilgamesch (1943), Suite zum Tanz (1944), die Illustrationen zu Gotthelf, Horaz und Don Giovanni. Jonas entwickelt einen farbig suggestiven Malstil, teils mit sinnbildhaften Motiven, was sich besonders in seinen Landschaften des Himalaja oder Brasiliens zeigt. Im Zentrum dieser Werke steht der Antagonismus Zivilisation und Natur, der dramatische Dialog zwischen Mensch und Erde.
Werke: Pfäffikon (SZ), Sammlung Vögele Kultur Zentrum; Kunstmuseum St. Gallen; Untersiggenthal, Schulhaus, Wandbild; Kunstsammlung der Stadt; Zürich-Altstetten, städtische Wohnsiedlung Farbhof, Hand, Auge, Ohr, 1957, Wandfresken.
Roy Oppenheim, 1998, aktualisiert durch die Redaktion, 2017
Zitiermethode:
Roy Oppenheim: «Walter Jonas». In: SIKART Lexikon zur Kunst in der Schweiz, 2017 (erstmals publiziert 1998).
https://recherche.sik-isea.ch/sik:person-4025569/in/sikart
Michel Ragon: Les Visionnaires de l'Architecture après Le Corbusier. [s.l.:] R. Laffont, [s.a.] (Collection «Construire le monde»).
Stefan Howald: Walter Jonas: Künstler. Denker. Urbanist. Zürich: Scheidegger & Spies, 2011.
Walter Jonas. Maler, Denker, Urbanist. Hrsg.: Heinrich E. Schmid; Texte: Horst Becker [et al.]. 2. Auflage. Zürich: Atlantis, 1985.
Alfred A. Häsler: Aussenseiter, Innenseiter. Porträts aus der Schweiz. Frauenfeld: Huber, 1983, S. 115-120.
Michel Ragon: Wo leben wir morgen? Mensch und Umwelt. Die Stadt der Zukunft. München: Georg D. W. Callwey, 1967.
Walter Jonas: Das Intra-Haus. Vision einer Stadt. Zürich: Origo, 1962.
Walter Jonas: Wie betrachtet man ein modernes Kunstwerk. Amriswil-Friedrichshafen: Bodensee-Verlag, 1950.