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∗ 4.4.1737 Basel,
† 4.11.1817 Berlin
Basel (BS)
Kupferstecher, Verleger, Kunsthändler und Kunsthistoriker. Tätig in Basel, ebenso in Frankreich, Österreich und Deutschland
Switzerland (CHE)
copper engraving
drawing
lithography
M
Christian von Mechel entstammt einer wohlhabenden Basler Handwerkerfamilie (Bürgerrecht 1527). Nach der Schulbildung bis zum untersten Grad an der Universität beginnt er 1753 eine Lehre als Kupferstecher bei Georg Daniel Heumann in Nürnberg. 1754 Abbruch des Lehrgangs durch die Eltern, dann bis 1757 Fortsetzung bei Johann Georg Pintz in Augsburg. 1757 in Paris beim Kupferstecher und Kunsthändler Jean-Georges Wille, zuerst als Volontär, später als Mitarbeiter. 1760 macht er sich in der französischen Hauptstadt als Drucker und Verleger selbständig. 1761 Wahl in den Grossen Rat von Basel, 1764 Rückkehr nach Basel und Heirat mit Elisabeth Haas, der Schwester des Schriftgiessers und Buchdruckers Wilhelm Haas des Älteren. Eröffnung eines Verlagshauses und der ersten Kunsthandlung der Schweiz. Dem Unternehmen wird später eine Mal- und Zeichenschule angegliedert. 1766 Italienreise, Freundschaft mit Johann Joachim Winckelmann in Rom. 1777 Erwerb des gotischen Hauses Erlacherhof in der St. Johann-Vorstadt, das er mit einer klassizistischen Fassade nach einem Entwurf von Nicolas Pigage versehen lässt. Edition grosser illustrierter Bücher. 1778 Ruf nach Wien durch Kaiser Joseph II. (mehrere Aufenthalte bis 1793), wo er die Gemäldesammlung im Belvedere katalogisiert, restauriert und einrichtet. Mechel wird Mitglied der Akademie für Bildende Künste. 1787 Rückkehr nach Basel. 1791 wird er zum Präsidenten der Helvetischen Gesellschaft ernannt. 1792–93 in England. 1795 Heirat mit Friederike von Wagner, 1796 Scheidung. Ab 1802 Niedergang des Geschäfts; 1808 Liquidation der Kunsthandlung. 1805 hat er sich bereits in Berlin niedergelassen, wo er als königlicher Bibliothekar und Mitglied der Akademie der Künste eine Freiwohnung im Palais des Prinzen Heinrich bezieht. Reorganisation der Gemälde- und Antikensammlung im Schloss Sanssouci in Potsdam, 1809–1810 Gespräche mit Friedrich Wilhelm III. über die Gründung einer Berliner Galerie (Anfang der Berliner Gemäldegalerie).
Mechel erlangte weniger als Künstler oder Stecher Bedeutung als durch Tätigkeiten, die er aus seinem künstlerischen Beruf heraus entwickelt hatte. Das bereits vor ihm anzutreffende Bestreben, den Vertrieb eigener und fremder Werke selber an die Hand zu nehmen, verwandelte er schliesslich in eine frühe Form der Kunstvermittlung. Sie besass zwar nicht die wissenschaftliche Tiefe, wie sie Winckelmann zu sehen glaubte (für Mechel war Italien ein mit veräusserbaren Werken gefülltes Lagerhaus und Winckelmann ein wichtiger Informant). Sie wirkte sich jedoch bereits auf die Kunstgeschichte seiner Zeit aus: Der Katalog der Düsseldorfer Gemäldegalerie (1778), dem Mechel anschliessend den Auftrag zur Neuordnung und Katalogisierung (1783) der kaiserlichen Sammlung in Wien verdankte, ist bis heute eine erstrangige Quelle der Anfänge einer musealen Präsentation von Kunst geblieben. Der Werkkatalog Hans Holbeins des Jüngeren (verfasst 1780–1795), obwohl in vielem umstritten, belebte die damalige Holbein-Forschung. Für die kaiserliche Sammlung wählte er nicht nur als erster bis heute gültig gebliebene kunsthistorische Kriterien wie das Gruppieren nach Schulen und Epochen, Mechel zeigte auch durch das Rückgängigmachen von Beschneidungen ein für die Zeit ungewöhnliches Verständnis für das Format als «Lebensbedingung» (Jacob Burckhardt) des Bildes. Ebenso sind seine Kunsthandlung mit Verlag, in der Mechel zahlreiche Mitarbeiter beschäftigte und Wechselausstellungen veranstaltete, sowie seine Mal- und Zeichenschule als bedeutende kulturelle Unternehmungen im klassizistischen Basel zu erwähnen. Beachtung verdient schliesslich der von ihm als Präsidialrede auf das Jahr 1791 abgefasste Entwurf einer Kunst-Geschichte Helvetiens. Auch wenn er darin in erster Linie für seine Publikationen über Holbein und den Medailleur Johann Carl Hedlinger warb, so gab er doch erstmals eine Anregung, die Schweizer Kunst zu erforschen.
Mechel verdient auch als Persönlichkeit des 18. Jahrhunderts ein Interesse: Er war Vertreter eines Handwerkerstandes, der noch genug soziales Prestige erwerben konnte, um einen Kaiser (Joseph II.) zu empfangen. Ebenso wusste er das in Auflösung begriffene Feudalwesen – das immer noch jedem Kontakt das Gewicht einer Empfehlung verlieh – für seine Zwecke zu nutzen. Gleichzeitig fand er mühelos Anschluss an eine über ganz Europa verteilte Elite, die, durch neue Kommunikationsmöglichkeiten begünstigt, in einem unermüdlichen Austausch von Briefen und Besuchen stand. Dennoch erlitten seine Vorhaben wie auch sein gesellschaftlicher Ruf Bankrott. Die Anstrengungen, die er unternahm, um sich im Hinblick auf zukünftige Geschäfte bei Fürsten einzuschmeicheln, machten sich nicht bezahlt, und in Berlin musste der 70-Jährige wieder ganz von vorn beginnen. Bleibendes Ansehen war seine n wohl aus ganz anderen Motiven verfolgten Unternehmen lediglich aus kunsthistorischer Sicht vergönnt.
Werke: Öffentliche Kunstsammlung Basel, Kupferstichkabinett.
Hans-Peter Wittwer, 1998, aktualisiert durch die Redaktion, 2017
Zitiermethode:
Hans-Peter Wittwer: «Christian von Mechel». In: SIKART Lexikon zur Kunst in der Schweiz, 2017 (erstmals publiziert 1998).
https://recherche.sik-isea.ch/sik:person-4025935/in/sikart
Elisabeth Décultot: «Christian von Mechel. Zu einer Schlüsselfigur von Winckelmanns schweizerischem Netzwerk». In: Winckelmann und die Schweiz, Akten der internationalen Tagung, Zürich, 18.–19. Mai 2017. Petersberg: Michael Imhof Verlag, 2018 (Cyriacus; Band 12), S. 47-53.
Stefanie A. Knöll: Der spätmittellalterlich-frühneuzeitliche Totentanz im 19. Jahrhundert. Zur Rezeption in kunsthistorischer Forschung und bildlicher Darstellung. Petersberg: Michael Imhof, 2018 (Studien zur internationalen Architektur- und Kunstgeschichte 158).
Lucas Wüthrich: «Die Schweizer Reisebeschreibungen aus dem Blickwinkel von Christian von Mechel». In: Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte, 75, 2018, 4, S 253-264.
Elisabeth Décultot: «Zur Entstehung des Museums als 'sichtbare Geschichte der Kunst'. Christian von Mechels Verhältnis zu Johann Georg Wille und Johann Joachim Winckelmann». In: Die kaiserliche Gemäldegalerie in Wien und die Anfänge des öffentlichen Kunstmuseums. Hg. von Gudrun Swoboda. Wien, Köln, Weimar: Böhlau, 2013, S. 458-475.
Lucas Heinrich Wüthrich: «Christian von Mechel (1737-1815), Kupferstecher und Verleger. Ergänzungen zu seinem Œuvre». In: Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte, 70, 2013, 1, S. 41-58.
Debora J. Meijers: «Christian von Mechel zwischen Kosmopolitismus und Patriotismus». In: Sammeln und Sammlungen im 18. Jahrhundert in der Schweiz. Akten des Kolloquiums Basel, 16.-18. Oktober 2003. Herausgegeben von Benno Schubiger in Zusammenarbeit mit Dorothea Schwinn und Cecilia Hurley. Genf: Slatkine, 2007 (Travaux sur la Suisse des Lumières, 10), S. 28-46.
Lukas Heinrich Wüthrich: Das Oeuvre des Kupferstechers Christian von Mechel. Vollständiges Verzeichnis der von ihm geschaffenen und verlegten graphischen Arbeiten. Basel, Stuttgart: Helbing & Lichtenhahn, 1959 (Basler Beiträge zur Geschichtswissenschaft 75).
Lukas Heinrich Wüthrich: Christian von Mechel. Leben und Werk eines Basler Kupferstechers und Kunsthändlers (1737-1817). Basel, Stuttgart: Helbing & Lichtenhahn, 1956 (Basler Beiträge zur Geschichtswissenschaft 63).
Chrétien de Mechel: Catalogue des Tableaux et de la Galérie impériale et royale de Vienne. Bâle, 1784.
Chrétien de Mechel: Oeuvre de Jean Holbein ou Recueil de Gravures d'après les plus beaux ouvrages de ce fameux peintre. Bâle, 1780.
undatierbar
undatierbar
um 1780
nach 1788, vor 1800
1790