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∗ 1490 Zürich,
† 24.10.1531 Gubel
Zürich (ZH)
Maler, Zeichner, Entwerfer von Scheibenrissen. Arbeitete meist in Zürich. Sohn von Hans Leu dem Älteren
Switzerland (CHE)
drawing
glass painting
painting
painting on glass
wall painting
woodcut
M
Erste Ausbildung in der Werkstatt seines Vaters Hans Leu des Älteren in Zürich, dem er vielleicht 1497, sicher aber 1504 bei der Arbeit half. Bei dessen Tod 1507 war er noch minderjährig, möglicherweise auch auf Wanderschaft, denn seine Mutter Anna Frick führte das Unternehmen weiter und nahm Zahlungen entgegen. Die Gesellenreise scheint 1512 in Nürnberg zu Kontakten mit Albrecht Dürer und Albrecht Altdorfer geführt zu haben (Dürer, der 1519 kurz in Zürich weilte, liess Leu in einem Brief vom 6.12.1523 an den Propst Felix Frey grüssen und schenkte ihm ein grafisches Blatt). Aufgrund von Stilvergleichen lässt sich die Zusammenarbeit mit Baldung Grien nachweisen. Nach dessen Übersiedlung von Strassburg nach Freiburg schuf Leu um 1512–13 die Schreinmalerei mit Landschaftselementen am Schnewlin Altar (Münster, Freiburg im Breisgau). Wahrscheinlich kehrte er Ende 1514 nach Zürich zurück und heiratete Verena Ott, die Tochter des angesehenen Ratsherren Hermann Ott. Ab 1515 führte er die alteingesessene Werkstatt seines Vaters als selbständiger Meister.
Leus weiteres Schicksal ist bezeichnend für einen Maler der Reformationszeit: Im Herbst 1515 nahm er als Angehöriger einer Zürcher Zunft beim Zug nach Marignano teil. Finanzielle Gründe liessen ihn 1519 für Herzog Ulrich von Württemberg in verbotenen Solddienst treten. Dafür wurde er vor Gericht gestellt. Zwischen 1521 und 1524 verheiratete er sich zum zweiten Mal mit Margreth Haldenstein. Ein spürbarer Rückgang der Beschäftigung bestimmte in dieser Zeit seine zunächst ablehnende Haltung gegenüber dem neuen Glauben der Protestanten in Zürich. Ausserdem vernichteten sie 1523 im Bildersturm einen grossen Teil seiner Werke in den Kirchen. Ungefähr zu dieser Zeit könnte sich Leu im katholischen Luzern aufgehalten haben, um eine Folge von Heiligenbildern in der Kapelle des Klauserhauses auszuführen (ehemals Haus Corragioni d’Orelli; Schweizerisches Landesmuseum, Zürich). Zur Erhärtung dieser mehrfach geäusserten These verwies Michael Riedler (1978) auf die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen dem Auftraggeber und dem Maler (Hans Leus jüngere Schwester war die zweite Frau von Konrad Klausers älterem Bruder). 1526 wurde der Reisläuferprozess nochmals aufgenommen und Leu zur Bestrafung «ad Wellenberg turrim» gelegt; er kam aber mit einer Kaution wieder auf freien Fuss. 1526–27 scheint er sich mit den geänderten Verhältnissen ausgesöhnt zu haben. Nach dem Scheitern der Friedensverhandlungen zwischen den zerstrittenen Eidgenossen, denen er im Zweiten Kappelerkrieg als Gesandter in Aarau beigewohnt hatte, schloss er sich den reformierten Zürchern an. Ein Ratsprotokoll vom 4.10.1531 nennt ihn ausdrücklich einen Landschaftsmaler. Mit anderen Gesandten weilte er damals auf der Gislifluh, die «also doben gessen (gegessen) und us iren becheren getrungken und da den maler meister Hansen Löw, so uns unser zit (Turmuhr) gemalet, bi uns gehept und die region gemalet.» Wenige Tage später starb er in der Schlacht am Gubel.
Die meisten von Hans Leus Altären und Wandgemälden sind dem Bildersturm zum Opfer gefallen; so ist beispielsweise ein von seinem vermögenden Schwiegervater 1515 für das Fraumünster gestifteter Altar nicht erhalten. Entsprechend der sich ständig verschlechternden Auftragslage gibt es nur wenige Tafelbilder von Leu. Im Unterschied zum Vater signierte und datierte er die meisten Arbeiten. Die Abkehr vom anonymen Schaffen der Nelkenmeister wird deutlich auf einem frühen Werk, dem gewölbten Altarflügelpaar (um 1514, Zürich, Schweizerisches Landesmuseum): Neben einer verblühten roten Nelke sind die Initialen HL angebracht. Die Gemälde lassen ebenso seine Liebe zur Landschaft wie seine Schwäche in der Darstellung szenischer Kompositionen erkennen.
Leu war ein begabter Zeichner. Scheinen die ersten Zeichnungen (Maria am Webstuhl, 1510, London, British Museum) noch stark an Albrecht Dürer und Hans Schäuffelein orientiert zu sein, so entwickelte er sich insbesondere ab 1512 mit freien Landschaften selbständig weiter. Blätter wie die phantastische Bergseelandschaft (um 1520, Öffentliche Kunstsammlung Basel, Kunstmuseum; Eigenhändigkeit bezweifelt im Katalog Sammeln in der Renaissance. Das Amerbach-Kabinett. Zeichnungen alter Meister. Kupferstichkabinett der Öffentlichen Kunstsammlung Basel, 1991) zeigen die detailgetreue Naturbeobachtung wie durch den Schleier einer zauberhaften Stimmung. Diese von einem schwärmerischen Naturgefühl getragenen Darstellungen stehen den Arbeiten Albrecht Altdorfers und seines Umkreises besonders nahe (lange verwechselte man Leus schönste, auf grundiertem Papier gefertigte Landschaften mit denen Erhard Altdorfers). Von einer ähnlichen Poesie durchwoben sind Leus zwei Leinwandbilder, mit Tempera alla prima ausgeführte Tüchlein. Orpheus und die Tiere (1519, Öffentliche Kunstsammlung Basel, Kunstmuseum) schildert den mythologischen Sänger vor einer wunderbaren Landschaft. Hans Leu entwarf auch zahlreiche Scheibenrisse, die insbesondere die Funk-Werkstatt mehrfach verwendete. Die vier sehr qualitätvollen Einblattholzschnitte (1516) zeigen, wie auch mehrere Zeichnungen, deutliche Bezüge zu Hans Baldung. Nicht geklärt ist, ob Hans Leu für Christoph Froschauer den Älteren auch den Titel zu Das Alt Testament dütsch (1525, Zentralbibliothek Zürich) bereitstellte.
Hans Leu der Jüngere war einer der bedeutendsten Schweizer Maler und Zeichner auf der Schwelle von der Spätgotik zur Renaissance. Dennoch blieb die Wirkung seiner Gemälde nur bis zum Bildersturm erhalten und dazu fast nur auf Zürich beschränkt. Mit seinen Zeichnungen und Holzschnitten aber vermittelte er einigen Zeitgenossen die künstlerischen Merkmale der Donauschule. Scheinbar im Gegensatz zu seinem bewegten Leben erweist er sich in seinen Landschaften – etwa im Vergleich mit Urs Graf und Niklaus Manuel– als der «zärtlichste und lyrischste» (Hugelshofer 1928) Künstler seiner Generation.
Werke: Öffentliche Kunstsammlung Basel, Kunstmuseum; Staatliche Museen zu Berlin, Preussischer Kulturbesitz, Kupferstichkabinett; Karlsruhe, Staatliche Kunsthalle; Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum; Zürich, Schweizerisches Landesmuseum; Zentralbibliothek Zürich; Zürich, Graphische Sammlung der ETH; Kunsthaus Zürich.
Charlotte Gutscher-Schmid, 1998, aktualisiert durch die Redaktion, 2014
Zitiermethode:
Charlotte Gutscher-Schmid: «Hans Leu (der Jüngere, II.)». In: SIKART Lexikon zur Kunst in der Schweiz, 2014 (erstmals publiziert 1998).
https://recherche.sik-isea.ch/sik:person-4022924/in/sikart
Lucas Wüthrich und Mylène Ruoss: Schweizerisches Landesmuseum Zürich. Katalog der Gemälde. Mitarbeit: Klaus Deuchler. Zürich: Schweizerisches Landesmuseum, 1996, S. 60, 63-65.
Sibylle Gross: «Die Schrein- und Flügelgemälde des Schnewlin-Altars im Freiburger Münster. Studien zur Baldung-Werkstatt und zu Hans Leu dem Jüngeren». In: Zeitschrift des deutschen Vereins für Kunstwissenschaft, 45, 1991. S. 88-130.
Zürcher Kunst nach der Reformation. Hans Asper und seine Zeit. Helmhaus Zürich, 1981. Verfasser: Marianne Naegeli und Urs Hobi. Zürich: Schweizerisches Institut für Kunstwissenschaft, 1981.
Lucas Wüthrich: Wandgemälde. Von Müstair bis Hodler. Katalog der Sammlung des Schweizerischen Landesmuseums Zürich. Zürich: Berichthaus, 1980, S. 135-138, 141-159.
Michael Riedler: Blütezeit der Wandmalerei in Luzern. Luzern: Raeber, 1978, S. 39-72.
Dieter Koepplin: «Altdorfer und die Schweiz». In: Alte und moderne Kunst, 11, 1966, 84, S. 6-14.
Curtis H. Shell: «Hans Leu d. J. und die Zeichnung einer Pietà im Fogg-Museum Cambridge, USA». In: Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte, 15, 1954/55. S. 82-86.
Walter Hugelshofer: «Das Werk des Zürcher Malers Hans Leu. I-III». In: Anzeiger für Schweizerische Altertumskunde, Neue Folge, XXV, 1923; XXVI, 1924.
Paul Ganz: «Die Familie des Malers Hans Leu von Zürich. I/II». In: Zürcher Taschenbuch, Neue Folge 24, 1901; 25, 1902. S. 154-179; 187-201.
um 1514
nach 1515
1516
1521
1521
1526